
Fliegen war mir noch nie ein Vergnügen. Und es wird es umso weniger, je mehr Menschen mit dem Flugzeug reisen. Dann buchte ich Premium Economy und auf einmal machte die Sache Spaß.
In der Zeit der kompetitiven Schnäppchensuche – „und stellt Euch vor, den Flug nach Berlin habe ich für 29 Euro bekommen, hin und zurück. Hab gleich zweimal gebucht, hähä; und neulich bin ich für 379 nach Thailand gekommen“ – habe ich mich für das Gegenteil entschieden. Ich war in Südafrika und ich bin Premium Economy geflogen. Ich tue mich immer schwerer mit so langen Flugreisen. Obwohl die elf oder mehr Stunden eines solchen Fluges auch einmal vorbei sind, belastet mich die Aussicht auf diese Zeit des Eingepfercht Seins und Herumgeschubst Werdens und in Schlangen Stehens immer mehr. Lieber gar nicht mehr Flug-Reisen als das. Oder eben anders fliegen. Ich sage es gleich: der Versuch war es mehr als wert!
Schon das Buchen des Fluges ist eine andere Welt. Das Angebot an Premium-Economy-Plätzen ist so begrenzt, dass das Herumsuchen darin richtig Freude macht. Eine Wohltat gegenüber dem Schnäppchen-Chaos und seinem grellen Geschrei, wer denn nun der billigste sei. Egal, wann man fliegen könnte, letztlich auch egal, wohin („anderen Nutzern haben diese Ziele gefallen…“). Nein, hier bei Premium herrscht Ordnung und diskretes Auftreten. Das Datum stimmt, die Route stimmt. Sicher, man könnte mit Emirates nach Dubai fliegen und dort nach neunstündigem Aufenthalt weiter. Aber zum Glück möchten auch andere Fluggesellschaften, dass Kunden sich in ihre aufwändig eingebauten Premium-Economy-Bereiche setzen und dafür einigermaßen freudig mehr zahlen.
Ich entschied mich für Air France. Es lohnte sich. Und zwar weit mehr, als ich erwartet hatte! Denn das Plus, es beginnt gleich am Flughafen. Auf dem Boarding-Pass steht bei Air France „Sky Priority“. Das ist kein Witz, es bedeutet etwas. Überall, wo das Wort auftaucht, geht es dem Fluggast besser. Beim Check-In werde ich zur Business-Class geleitet, die Schlange bei Economy lasse ich rechts stehen. Auf einmal, völlig ungewohnt, fühle ich mich auch beim Fliegen als Mensch. So hatte ich das nur auf Geschäftsreisen erlebt, die meist in Business standfanden. Aber wer kann sich schon Business fürs Privatvergnügen leisten?
Nach dem freundlichen Einchecken – herrlich, von Mensch zu Mensch, kein Automat weit und breit! – geht es weiter mit den Annehmlichkeiten für den „Premium“-Kunden. Wo in Economy der nächste Horror des Gedrängels bei der Handgepäck- und Körper-Kontrolle wartet, da wird diese Prüfung in „Premium“ leicht und einfach. Am eigenen Scanner gibt es nur eine kleine Schlange und alle können mit der Lästigkeit der Prozedur locker umgehen. Ein Lächeln ist immer drin.
Nach dem entspannten Durchgang stört mich das Warten im normalen Wartebereich gar nicht. Auf jene, die jetzt in der Business-Lounge abhängen, bin ich nicht neidisch, im Angebot steht schließlich „Economy“.
Aus der Flug-Ladung wird der Flug-Gast
Und: man hat uns ja nicht vergessen. Beim Aufruf zum Boarding nach Paris werden die Premium-Leute zusammen mit den Business-Passagieren genannt, wir dürfen als erste ins Flugzeug. Bedeutet das etwas? Und ob! Wieder Luft und Raum zum Atmen, kein Gedränge, kein Geschiebe von Mitfliegern, die weiter nach hinten müssen. Erst mal die Zeitung und Krimskrams auf den Sitz, dann die Tasche und die Jacke ins Gepäckabteil. Keiner stößt mich an, keiner drängelt vorbei. Fast, als hätte man ein Privatflugzeug bestiegen.
Ich habe einen Verdacht…. : Die Fluggesellschaften wissen genau, was ein Mensch braucht. Ihrer Economy-„Ladung“ enthalten sie das gezielt vor. („Human cargo“, den Begriff habe ich einmal von einem Flug-Mitarbeiter gehört). Sobald aber mehr bezahlt wird, wird dem Passagier als Menschen das gegeben was des Menschen ist. Die Fluggesellschaften wissen sehr genau, was die Bedürfnisse ihrer Kunden sind und sie sind fähig, sie auch zu erfüllen. Denn merke: das Fliegen besteht nicht aus dem Fliegen alleine. Fast 75% ist das Drumherum, das „Handling“, und zwar nicht nur des Gepäcks, sondern vor allem der Passagiere. Von „Cargo“ zu „Customer“ war es bisher ein sehr weiter Weg. Mit der Premium Economy ist der nun etwas kürzer. Im Moment sitze ich noch ein einem Airbus 320 nach Paris, und hier drinnen ist weiter alles Economy. Aber ich habe sie schon gesehen, die breiteren Sitze, den größeren Fußraum. Bisher noch in der Werbung. Was erwartet mich in der Wirklichkeit?
Premium ist die Business von einst
In Paris und im Langstreckenflieger weiß ich es dann: es ist die Business-Class von früher. Links von der Türe breitet sich nun die Business aus wie einst die First, rechts davon geht es ins Premium-Reich, dahin, wo einst die Business war. Ein vertrauter, ein beruhigender Anblick. Acht Fauteuils in einigen Reihen. Jedes einladend breit, mit einem Lämpchen zum Lesen und viel Abstand zum Nachbarn. Ich lasse mich fallen in meinen Fensterplatz, ich strecke die (langen) Beine aus, ich räkle mich. Nichts zwickt, klemmt oder behindert. Die großzügige Beinstütze lässt sich wunderbar hochstellen Hier werde ich nun elf Stunden sitzen, besser: liegen, denn es ist ein Nachtflug, und ich werde es gerne tun. Dass kein Champagner zum Zeitvertreib bis zum Abflug kommt: geschenkt. Dass der Sitz nicht flach ausfährt zum Bettchen: es muss nicht alles sein im Leben. So ist es gut. Fühlbar viel Komfort fürs Geld. Keinen Cent davon habe ich bisher bereut. Und ich ahne ja nicht, was mich noch alles an Angenehmem erwartet auf dieser Flugreise.
Denn der bequeme Sitz, auf dem es sich auch recht gut schlafen ließ, ist ein Symbol dafür, dass die Fluggesellschaft sich rundum um eine angenehme Reise kümmert. Nicht nur beim Einchecken, auch an den Passkontrollen gibt es eine eigene „Spur“ für die Premium-und-darüber-Reisenden. Zügig gelange ich an die Schalter, zügig habe ich es hinter mir. Bei der Gepäckausgabe kullert mein Koffer als einer ersten auf das Karussell. Er hat ja einen „Priority“-Aufkleber. Beim Umsteigen in Johannesburg gibt es wieder eine eigene Spur für die „Besonderen“, und ich mit meiner Bordkarte gehöre dazu. Ich weiß, tausend Euro mehr als „normale“ Economy sind keine Kleinigkeit. Ebenso wenig jedoch sind 10.000 km one way und 17 Stunden Reise eine Kleinigkeit. Alles hat seinen Preis. Und ich stelle fest: das Wohlgefühl, der zusätzliche Spaß am Reisen selbst sind so groß, dass ich mich an jedem Moment freue und in keinem das zusätzliche Geld bedauere.
Warten ist kein Thema mehr
Dazu bin ich beeindruckt, wie souverän Air France ihre Fluggäste an jedem Flughafen empfängt und umsorgt. Alles ist vorbereitet, alles ist bestens geregelt. Beim Umsteigen in Johannesburg nähere ich mich einer langen Schlange, die auf eine weitere Passkontrolle wartet. Kurz bevor ich innerlich aufstöhnen kann, sehe ich die Tafel mit „Sky Priority“; sie leitet mich vorbei an der Schlange hin zum Schalter, der Rest ist Routine.
Der Rückweg verläuft genauso reibungslos. Erholt und entspannt komme ich nach dem Nachtflug in Paris an. Ich hätte jetzt die Kraft, mich in Geschäftstermine zu stürzen; ein Gespräch mit einer nach Russland emigrierten Amerikanerin beim Kaffee im Bistrot macht aber deutlich mehr Spaß. Der erste Tag zurück in Europa beginnt gut. Das Reisen war ein Vergnügen.
Economy: Das Essen
Was aber nun ist denn noch „Economy“ an diesem „Premium“-Erlebnis? Das Essen. Auf diesem Flug erfüllte sich die Auswahl zwischen „Chicken or pasta“ oder „Fish or Pasta“. Liebevoll angekündigt auf einer kleinen Speisekarte, immerhin. Macht nichts. Auch hier wissen die Air-Franceler, worauf es wirklich ankommt. Ich kann den Inhalt meines Plastik-Tabletts großzügig ausbreiten. Der Klapptisch vor mir scheint doppelt so groß zu sein wie der in der normalen Economy und aus dem Essen vom Plastik-Tablett – der Salat im Plastik-Schüsselchen, das Chicken im Alu-Behälter, das Stück Torte wieder im Plastik-Schüsselchen – wird ein richtiges Menü. Wein natürlich inklusive.
Zum derart geadelten Essen kann ich in Ruhe das Bord-Programm auf dem Touchscreen in der Lehne vor mir anschauen. Feine Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung geben ein kraftvolles Klang-Bild dazu, ob die Auswahl an Programmen auch Premium ist, interessiert mich jetzt nicht. Sie ist für mich auch in der normalen Economy mehr als genug. Aber der großzügige Abstand zum Bildschirm und der gute Klang aus den Kopfhörern machen das on-board-Schauen zum erwarteten Genuss.
Nochmals bereitet mir meine Buchung Freude, als ich am Münchner Flughafen wieder schnell an meinen Koffer komme. Ich blicke zurück auf eine rundum gelungene Reise. Es gab ein paar Tiefen – wie der zerstochene Reifen an meinem Mietauto – und viele Höhen. Zu diesen zählte der Flug, absolut. Fast liebevoll denke ich mein gemütliches Plätzchen am Fenster und an all die Annehmlichkeiten des Premium-Economy-Services. Fliegen, es kann auch heute noch so schön sein.